Warum verlernt der Hund alles in der Pubertät

  • Isabel Scheu
  • 05.10.2025
  • Pubertät

„Wie ausgewechselt? Warum dein Hund in der Pubertät plötzlich 'alles vergisst'“

Du hast wochen- oder monatelang mit deinem Hund trainiert. Sitz, Platz, Rückruf – alles funktionierte zuverlässig. Doch plötzlich scheint er nichts mehr zu wissen. Er hört nicht, rennt weg, ist abgelenkt, stur oder sogar aufmüpfig. Klingt bekannt? Dann bist du mitten in der Pubertät deines Hundes angekommen. Was wie Trotz oder Ungehorsam aussieht, hat jedoch eine völlig andere Ursache: Im Gehirn deines Hundes findet gerade ein gewaltiger Umbau statt. Und genau dieser neurobiologische Umbruch erklärt, warum scheinbar Erlerntes zeitweise verschwinden kann.

In diesem Beitrag erfährst du, warum dein Hund in der Pubertät so „anders“ wirkt, was im Hundehirn passiert – und warum du jetzt nicht verzweifeln solltest, sondern dranbleiben musst.

1. Pubertät bedeutet: Das Gehirn wird neu verdrahtet

Die Pubertät ist keine reine Hormonfrage – sie betrifft vor allem das Gehirn. Wissenschaftlich belegt ist: Während der Adoleszenz (also der Übergangszeit vom Welpen zum erwachsenen Hund) wird das Gehirn neurologisch umstrukturiert.

Besonders betroffen sind die Areale für:

  • Impulskontrolle: Handlungen zu unterbrechen oder abzubrechen fällt schwerer.
  • Emotionale Regulation: Neue oder zuvor neutrale Reize können plötzlich Angst oder Aggression auslösen.
  • Aufmerksamkeit und Konzentration: Der Fokus liegt nun stärker auf neuen Eindrücken als auf gewohnten Signalen vom Menschen.

Das Gehirn muss in dieser Zeit viele Reize neu bewerten. Das führt dazu, dass selbst gut verankerte Kommandos temporär „überschrieben“ werden – dein Hund weiß also oft nicht „weniger“, sondern wird einfach durch innere Umbauarbeiten abgelenkt.

2. Hormonflut trifft Reizüberflutung

Mit der Pubertät beginnt die Produktion von Geschlechtshormonen: Testosteron bei Rüden, Östrogen und Progesteron bei Hündinnen. Diese Hormone verstärken nicht nur sexuelles Verhalten, sondern beeinflussen auch das Nervensystem. Sie führen zu:

  • Mehr Selbstständigkeit: Der Hund löst sich emotional ein Stück vom Halter – wie ein Teenager von seinen Eltern.
  • Weniger Reaktionsbereitschaft: Das Gehirn filtert bekannte Reize als „langweilig“ – darunter leider auch deine Stimme oder das Rückrufsignal.
  • Verstärkte Emotionen: Die Amygdala (Angstzentrum im Gehirn) ist aktiver – dein Hund reagiert auf Geräusche oder andere Hunde heftiger als zuvor.

3. „Er testet nur“ – wirklich?

Viele Halter sagen in dieser Zeit: „Er testet mich!“ – doch das ist nur bedingt richtig. Ja, Hunde probieren in dieser Phase neue Verhaltensstrategien aus. Aber das ist kein bewusster „Machtkampf“, sondern das Ergebnis neurologischer Reifung. Dein Hund ist nicht stur – er ist verwirrt, abgelenkt, reizüberflutet oder schlicht überfordert.

Wichtig ist, dass du nicht persönlich beleidigt bist, wenn dein Hund sich „danebenbenimmt“. Bleib ruhig, strukturiert und fair. Diese Phase ist kein Rückschritt – sondern ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum verlässlichen Partnerhund.

4. Was kannst du tun?

  • Wiederhole Basics: Rückruf, Leinenführung, Bleibs, Ruheübung – all das darf regelmäßig trainiert werden, auch wenn es „eigentlich sitzt“.
  • Arbeite kleinschrittig: Brich Übungen auf ein einfaches Niveau herunter, wenn dein Hund überfordert ist.
  • Fördere Ruhe: Statt mehr Action braucht dein Hund jetzt vor allem Orientierung und Entspannung.
  • Sei geduldig: Bleib konsequent, aber verständnisvoll. Dein Hund kann gerade nicht anders – er will dich nicht ärgern.

5. Wie lange dauert diese Phase?

Die Pubertät beginnt meist zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat (je nach Rasse) und kann sich über viele Monate erstrecken. Die „kritischsten“ Phasen liegen oft im Bereich von 8 bis 18 Monaten. Doch wie bei uns Menschen ist der Reifeprozess individuell – und kein linearer Weg.

Fazit: Vergessen heißt nicht versagen – sondern wachsen

Wenn dein Hund in der Pubertät scheinbar alles verlernt hat, bedeutet das nicht, dass du etwas falsch gemacht hast. Im Gegenteil: Gerade jetzt zahlt sich dein bisheriges Training aus. Bleib dran, bleib ruhig – und erinnere dich daran, dass auch dein Hund gerade versucht, sich in einer neuen Welt zurechtzufinden. Mit Verständnis, Struktur und Humor kommt ihr gemeinsam durch diese Baustellenzeit – und wächst als Team daran.

Top Neuigkeiten

Rauchen und Hunde

Rauchen und Hunde: Wie...

Frühlingstoxine

Frühlingstoxine: Diese...