Dominanz oder Verunsicherung
- Isabel Scheu
- 16.10.2025
- Pubertät
„Dominanz oder Unsicherheit? Warum dein Hund oft ganz anders handelt, als es scheint“
Dein Hund zieht an der Leine, springt Menschen an oder knurrt Artgenossen an – und sofort fallen Begriffe wie „Dominanz“, „Alphaverhalten“ oder „Kontrollzwang“. Viele dieser Deutungen stammen aus veralteten Sichtweisen und halten sich dennoch hartnäckig in der Hundeerziehung. Dabei steckt hinter vermeintlich dominanten Verhaltensweisen häufig etwas ganz anderes: Unsicherheit, Überforderung oder ein Mangel an Orientierung.
In diesem Beitrag klären wir auf, wie sich Unsicherheit und Dominanz im Verhalten unterscheiden, warum Missverständnisse gefährlich sind – und wie du lernst, deinen Hund wirklich zu lesen und angemessen zu reagieren.
1. Was ist überhaupt „dominantes Verhalten“?
Dominanz beschreibt in der Verhaltensbiologie keinen Charakterzug, sondern eine situationsabhängige Beziehung zwischen zwei Individuen – bezogen auf Ressourcen wie Futter, Raum oder Aufmerksamkeit. Ein Hund ist also nicht „dominant“, sondern zeigt möglicherweise in bestimmten Kontexten ein vorrangiges Verhalten, um ein Ziel zu erreichen.
Wichtig: Dominanz ist kein Dauerzustand und kein Persönlichkeitsmerkmal – sondern ein Ausdruck von Kommunikation und sozialem Abgleich. Oft wird sie verwechselt mit auffälligem Verhalten, das in Wirklichkeit aus anderen Motiven entsteht.
2. Häufig falsch interpretierte Verhaltensweisen
Viele alltägliche Hundeverhaltensweisen werden vorschnell als Dominanz ausgelegt – dabei sind sie meist Ausdruck von Unsicherheit oder fehlender Führung. Hier einige typische Beispiele:
- An der Leine ziehen: Kein Machtspiel, sondern oft mangelnde Orientierung, Frustration oder einfach jugendliche Energie.
- Anspringen: Keine Respektlosigkeit – sondern ein Versuch, Aufmerksamkeit zu bekommen oder Stress abzubauen.
- Knurren bei Hundebegegnungen: Meist kein „Kontrollzwang“, sondern Ausdruck von Unsicherheit, Stress oder Überforderung.
- Ressourcenverteidigung: Kein Zeichen von Macht, sondern instinktives Verhalten aus Angst, etwas zu verlieren.
Fazit: Was wie Dominanz aussieht, ist oft ein Hilferuf deines Hundes – er zeigt dir, dass er Unterstützung, Sicherheit oder klare Führung braucht.
3. Warum die Dominanz-Theorie problematisch ist
Die Vorstellung, Hunde müssten „untergeordnet“ und „geführt“ werden, basiert auf längst überholten Studien an in Gefangenschaft lebenden Wölfen. Moderne Verhaltensforschung zeigt: Hunde leben nicht in festen Hierarchien, sondern in dynamischen sozialen Netzwerken. Sie suchen keine „Alpha-Person“, sondern Verlässlichkeit, Ruhe und Klarheit.
Wer Dominanz als Erklärung für alles nimmt, verpasst die Chance, die wahren Ursachen für Verhalten zu verstehen – und reagiert oft zu hart oder unangemessen.
4. Wie du Unsicherheit erkennst – und richtig reagierst
Unsicherheit zeigt sich bei Hunden auf vielfältige Weise. Dazu gehören:
- Vermeidung von Blickkontakt
- geduckte Körperhaltung
- leises Knurren, Winseln oder Bellen
- zittern, scharren oder hektisches Schnüffeln
- Flucht oder eingefrorenes Verhalten
So hilfst du deinem Hund:
- Bleibe ruhig und souverän – keine hektischen Reaktionen
- Schaffe Abstand, wenn Situationen zu viel sind
- Vermeide Konfrontation oder „Erziehung durch Strafe“
- Belohne ruhiges Verhalten und gib deinem Hund Zeit, sich zu orientieren
5. Führung durch Verständnis – nicht durch Kontrolle
Ein sicher geführter Hund braucht keinen Drill. Er braucht eine Bezugsperson, die seine Körpersprache lesen kann, ihm klare Signale gibt und Sicherheit ausstrahlt. Gerade in der Pubertät oder in stressreichen Situationen zeigt sich, wie stark eure Beziehung ist – und ob dein Hund sich auf dich verlassen kann.
Führung bedeutet nicht Kontrolle – sondern Begleitung. Es bedeutet, deinem Hund Orientierung zu geben, ohne ihn zu dominieren.
Fazit: Nicht jeder starke Hund ist dominant – und nicht jeder laute Hund selbstsicher
Wenn dein Hund auffälliges Verhalten zeigt, frag nicht zuerst: „Wie kann ich ihn korrigieren?“ Sondern: „Warum tut er das?“ Wer Verhalten versteht, kann angemessen darauf reagieren – und so langfristig Sicherheit, Vertrauen und Kooperation fördern. Die Dominanztheorie mag eingängig klingen, doch echte Beziehung basiert nicht auf Unterwerfung – sondern auf Verständnis.
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